Wenn man zuviel Zeit hat, dann beginnt man, mit Zeit verschwenderisch umzugehen. Aber: Kann man Zeit überhaupt “verschwenden”? Zeit ist doch sowieso etwas relatives, eine Einteilung die wir uns selbst auferlegen. Ein Maß, welches uns unseren Alltag erleichtern soll, weil es dafür sorgt, dass wir uns nicht mehr verpassen, mehr oder weniger …
An all diese Dinge dachte einer niemals. Jeden Tag saß er da, und tat nichts. Er saß alleine und einsam auf einer Parkbank zwischen englischem Rasen, Blumenbeet, Spielplätzen und überfüllten Mülleimern. Keiner wusste, wo dieser Mann wohnte. Weder war bekannt, wie er
hieß, noch wusste jemand Bescheid, ob er überhaupt sprechen konnte.
Man kann komischerweise sagen, die Zeit gab ihm seinen Namen. Für die Kinder und jungen Mütter, für die Jogger und Spaziergänger war er nicht namenlos.
Seine Name war Herr Zeit.
Scheinbar ein zeitloser Name, denn obwohl ihn jeder kannte, kam niemand auf die Idee sich mit Herrn Zeit zu unterhalten und ihn nach seinem wahren Namen zu fragen. Das größte Geschenk war höchstens ein mildes Lächeln. Mal aufgesetzt, mal eher gezwungen und in Eile, so dass Herr Zeit in den Gesichtern der hastigen Seelen mit Rucksäcken und Aktenkoffern bestückt, die Verzweiflung und die Sorgen erkennen konnte, die sie umtrieben. Eigentlich konnte ihn keiner leiden, weil er so faul herumsaß, und dabei so tat, als gäbe es keine Zeit.
Jedoch gehörte Herr Zeit all dieser Ignoranz zum Trotze, in einer bestimmten Weise zum Leben von jedem der ihn kannte dazu, denn jeder konnte sich sicher sein, dass Herr Zeit immer an dieser Stelle sitzen würde,
die Enten am See beobachten, eine Zeitung lesen, die keiner kannte und die Tauben mit Brot füttern würde, von welchem keiner wusste, wo er es her hatte.
Als die Menschen eines Morgens wieder durch den Park liefen, neblig und noch sehr düster war es zwischen den Bäumen und Parkbänken, es muss ein Donnerstag gewesen sein, da war Herr Zeit aber nicht mehr da. Er war vom einen auf den anderen Tag einfach verschwunden.
Da nie jemand gefragt hatte, wie er denn wirklich hieß, und wo er wohnte, geschweige denn sich jemand nach einer Familie oder Freunden erkundigt hatte, konnte sich niemand erklären, wohin Herr Zeit bloß verschwunden war.
Doch ganz spurlos war Herr Zeit den Menschen doch nicht entglitten. Er hatte ein schmutziges Stück Papier zurückgelassen, dass mit einer Nadel an “seine” Parkbank gepinnt worden war.
In ausdrucksloser sauberer und kleiner Schrift waren darauf folgende Zeilen zu lesen:
Sieh, wie sie rennen,
sieh wie sie hasten,
nsich versuchen
gegen die Zeit zu stemmen,
um nichts zu verpassen.
Sehen dabei nicht den Steg,
in Angst vor ihrem Zerfall,
sehen nicht am Horizont,
den letzten Wasserfall.
Das Gedicht landete im überfüllten Mülleimer, der neben der Parkbank die Fahne in den Wind hielt. Keiner hatte Zeit, dass Gedicht zu lesen.
Schade eigentlich.